Vom Kirchenfunk zur Medienarbeit

Mit der ersten Rundfunksendung in Deutschland am 29. Oktober 1923 brach in der evangelischen Kirche eine heftige Diskussion über eine Beteiligung los. In einer massenwirksamen Verkündigung sahen die einen große Chancen. Man hoffte, über die Kompetenz und Prominenz der Rundfunkprediger Menschen neu an die Kirche heranzuführen. Zugleich erkannte man, dass dafür ein eigener Stil zu entwickeln war. Den Gegnern erschienen kirchliche Rundfunksendungen als gefährliche Konkurrenz zum sonntäglichen Gottesdienst. Sie warnten davor, dass der Rundfunk Menschen isoliere und die Kultur verflache.

Die Befürworter setzten sich durch. Unter Federführung des Evangelischen Presseverbandes für Deutschland verhandelte die evangelische Kirche mit dem Reichspostministerium sowie den neun regionalen Rundfunkgesellschaften und erhielt ab dem 6. Juli 1924 zusammen mit anderen religiösen Gemeinschaften nach und nach in fast allen Rundfunkanstalten die Möglichkeit, im Programm mitzuarbeiten: zunächst in Form einer Morgenfeier am Sonntag morgen, später auch durch die Übertragung von besonderen Festveranstaltungen oder »hörspielartigen Sendungen religiösen Inhalts«.

Die Hörfunk-Macher fanden in den ersten Jahren vor allem bei Verbänden und Arbeitsgemeinschaften wie dem Gustav-Adolf-Verein oder dem Evangelischen Bund ihre Anbindung. Um das Jahr 1930 bildeten die evangelischen Kirchenleitungen landeskirchliche »Rundfunkausschüsse« und zogen damit die Rundfunkarbeit mehr und mehr an sich.

 

Im Dritten Reich

Selbst unter nationalsozialistischer Herrschaft konnten die kirchlich-religiösen Sendungen zunächst weitergeführt werden. Sie dienten dem Staat in den ersten Jahren als »Aushängeschild«. Der Staat nahm dann vermehrt Einfluss auf die Auswahl der Autoren kirchlicher Sendungen. Zunächst waren es größtenteils Pfarrer, die zu der rechtsnationalen Gruppe der Deutschen Christen gehörten. Ende 1938 hatte der Staat die Gestaltung der Morgenfeiern vollständig unter seine Kontrolle gebracht. 1939 wurden die Sendungen zunächst reduziert und schließlich trotz der Proteste der evangelischen Landeskirchen ganz aus dem Programm gestrichen.

 

Nach dem Krieg

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gingen die westlichen Alliierten daran, den Rundfunk den Besatzungszonen entsprechend wieder zu dezentralisieren. Sie lösten die Verbindung von Rundfunk und Post auf und schufen nach britischem und amerikanischem Vorbild selbstständige öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalten, die der Entwicklung einer demokratischen Gesellschaft dienen sollten. Im Unterschied zu Gewerkschaften, Parteien und anderen Verbänden erhielten die Kirchen eine Sonderstellung, da sie als ein wesentlicher Teil der kulturellen Weiterbildung galten.

Die evangelische Kirche bestimmte – aufbauend auf der Barmer Theologischen Erklärung – die Position der Kirche in einer demokratischen Gesellschaft neu: Sie wollte Zeugnis von Gottes Zuspruch und Anspruch ablegen als auch deutlich herausstellen, dass Religion keine Privatsache ist. Sie trat in den nachfolgenden Jahrzehnten für die Freiheit des Rundfunks von staatlichen Einflüssen ein und bemühte sich, solchen gesellschaftlichen Gruppen Gehör in der Öffentlichkeit zu verschaffen, die bislang keine Stimme hatten. Die den Kirchen in der Nachkriegszeit eingeräumte Stellung besteht bis heute.

 

In der DDR

Auch in der DDR gab es eine kirchliche Rundfunkarbeit. Den Anfang machte 1946 die von den Kirchen verantwortete »Morgenfeier«. Nach dem Spitzengespräch zwischen Staat und Kirche im März 1978 wurden der evangelischen Kirche zusätzlich sechs Fernsehsendungen im Jahr und monatlich eine Hörfunksendung mit Berichten aus dem kirchlichen Leben zugestanden. An hohen Feiertagen gab es Gottesdienstübertragungen, zunächst zeitlich versetzt, ab 1983 auch live. Die »Morgenfeier« wurde von einem kirchlichen Beauftragten betreut, die TV-Beiträge vom Referenten beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR.