Den Mächten des Todes die Stirn bieten

DLF Gottesdienst am 31.03.2024 aus dem Dom St. Marien in Freiberg

Foto: epd-bild / Wolfgang Schmidt

Silbermann-Orgel

Den Mächten des Todes die Stirn bieten
31.03.2024 - 10:05
Über die Sendung:

Seit Jahrhunderten begrüßen sich Christinnen und Christen an Ostern mit dem Ruf: „Christus ist auferstanden!“ Die Osterbotschaft, dass Gott den gekreuzigten Jesus vom Tod auferweckt hat, sprengt jede irdische Erfahrung. Sie übersteigt auch die sprachlichen Möglichkeiten. Die Musik kommt zu Hilfe, um dem Jubel über das neue Leben Ausdruck zu geben.

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Predigt zum Nachlesen:
DerLobgesang der Hanna ist gleichzeitig Predigttext.
 

Der HERR wird richten der Welt Enden.

Mein Herz ist fröhlich in dem HERRN,

mein Horn ist erhöht in dem HERRN.

Mein Mund hat sich weit aufgetan wider meine Feinde,

denn ich freue mich deines Heils.

Es ist niemand heilig wie der HERR,

außer dir ist keiner, und ist kein Fels, wie unser Gott ist.

Der Bogen der Starken ist zerbrochen,

und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke.

Die da satt waren, müssen um Brot dienen,

und die Hunger litten, hungert nicht mehr.

Der HERR macht arm und macht reich;

er erniedrigt und erhöht.

Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub

und erhöht den Armen aus der Asche,

dass er ihn setze unter die Fürsten

und den Thron der Ehre erben lasse.

Denn der Welt Grundfesten sind des HERRN,

und er hat die Erde darauf gesetzt.

Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,

wie es war im Anfang, jetzt und immerdar

und von Ewigkeit und Ewigkeit. Amen.

Der HERR wird richten der Welt Enden.

 
I
Liebe Hörerinnen und Hörer, liebe Gemeinde, Schwestern und Brüder,

mein Herz ist fröhlich in dem Herrn. Dieser Satz ist der Osterjubel in diesem Jahr. Mein Herz ist fröhlich, weil niemand heilig ist wie unser Gott, außer dir, Herr, ist kein Fels in unserem Leben. Du machst die satt, die hungrig sind, du nimmst den Unterdrückern die Macht, du hebst die Armen aus dem Staub.

So klingt es im Lied der Hanna in der Bibel. Und Menschen haben es immer wieder gesungen. Singen von dem, was Gott getan hat. Dass Hanna einen Mann hat und keine Kinder

bekommen kann. Und die zweite Frau dieses Mannes viele Kinder gebiert. Von dem Schmerz der Hanna und davon, wie sie in den Tempel geht und Gott verspricht, dass sie den Sohn, den sie von Gott erbittet, Gott weihen würde. Und so geschieht es. Hanna bekommt einen Sohn, die Unfruchtbare wird schwanger und bringt ein Kind auf die Welt. Und so wie sie es versprochen hat, bringt sie ihren Sohn, Samuel, zu Gott, dass er ihn verehrt und ihm dient.

Mit Samuel ist Hanna von einem unaussprechlichen Schmerz erlöst worden. Der unerfüllte Wunsch nach einem Kind. Ich ahne, wie sich dieser Schmerz in die Seele einer Frau eingräbt. So wie der Schmerz darüber, dass scheinbar alle anderen problemlos Kinder bekommen können. Dieser Schmerz ist ein Schmerz über unsere Welt. Und dieser Schmerz ist groß, weil unsere Welt mit dem Ostermorgen heute keine andere geworden ist. Mit dem Lied der Hanna auf dem Lippen singen wir in einer Welt, die auch heute noch Leid und Schmerz in sich birgt.  Die Glocken läuten über Städte und Dörfer hinweg, in denen Eltern Sehnsucht haben nach einem Kind. Mütter und Väter weinen über ihre gefallenen Söhne; Alleinerziehende kommen nicht über die Runden mit Zeit und Einkommen. Und andere sitzen zu Hause allein, und keiner kommt mal vorbei.

Es ist ein paar Jahre her, da stand eine Frau auf dem Großschirmaer Pfarrhof. Sie kam von weiter weg. Ich war gerade frisch in die Gemeinde gekommen und stand in der großen Tür dieses Jahrhunderte alten Hauses und schaute auf die kleine, schüchterne Frau. Ob ich etwas Zeit hätte, fragt sie. Ich sage ja und wir gehen hinein. Sie erzählt zunächst von Dingen, die unwichtig sind, aber manchmal nötig, um zum Eigentlichen zu kommen: Das worüber sie eigentlich reden will, ist der Verlust ihres Kindes, der Tod ihres Babys. Seit Jahren leidet sie daran und hat niemanden, mit dem sie darüber sprechen kann. Manchmal ist das auf den Dörfern, in den Städten so. Da gibt es keinen zum Reden. Den Vater des toten Kindes gibt es nicht mehr und jedes Jahr, wenn sich der Todestag des Kindes nähert, fährt ihr neuer Freund weg. Jedes Jahr sitzt sie allein an diesem Tag in einer neuen Wohnung in einem anderen Dorf und weint. Und die Glocken läuten in der Ferne.

 

II

Die Glocken läuten vom Ostermorgen, die Menschen hören im Bibelwort von Hanna, die von ihrem Schmerz erlöst ist. Und die junge Frau, die um ihr verlorenes Baby trauert, hat das Gefühl: Es hat nichts mit mir ihr zu tun, es hat nichts zu tun mit all denen, die auf ihre Erlösung warten.

Was bedeutet dieser Ostermorgen, wenn das Leid der Frauen doch das Gleiche bleibt? Was soll der Ostermorgen, wenn das Kind tot bleibt und nur anderen neues Leben geschenkt wird? Singt Hanna nicht „Der Herr tötet und macht lebendig. Führt ins Totenreich und wieder herauf.“? Was soll dieses Lied, wenn die junge Frau am Sterbetag ihres Kindes alleine weint?

Wirkt es wie Hohn für sie? Oder hört sie in den Worten von Hanna von fern her eine Hoffnung, die auch sie trösten kann?

Denn dieses Lied erzählt nicht nur von Hanna, die durch Hohn und Spott gegangen ist, die sich wie tot fühlte und auf einmal neues Leben gespürt hat, sondern auch von Menschen, die sagen: Das war die Hölle. 

Wir feiern zu Ostern, dass Christus den Weg durch die finsteren Täler dieser Welt gegangen ist. Gekreuzigt, gestorben und begraben. Und – noch tiefer – hinabgestiegen in das Reich des Todes.

Das Lied der Hanna, unser Läuten am Osterfest würde verhallen, wenn es nicht zugleich auch das Vorspiel wäre auf das, was Gott an Ostern für alle getan hat. Gott tötet und macht lebendig, führt ins Totenreich und wieder herauf. Christen glauben: In Jesus Christus am Kreuz ist Gott selbst in den Tod gegangen. Wenn nur Hanna, wenn nur die vielen Frauen und Männer vor und nach ihr und nicht auch Gott selbst getötet worden und: lebendig zurückgekommen wäre. Niemand muss auch nur eine Sekunde ohne Gott sein. Niemand muss allein sein mit seinem Schmerz, mit dem Tod. Der Schmerz, der Tod, die Einsamkeit, alle diese Dinge gibt es auch nach Ostern noch, aber sie geschehen nicht gottverlassen. Sie geschehen in der Gemeinschaft mit ihm und seinem Sohn Jesus Christus. Der Herr lebt an unserer Seite in jedem noch so schmerzhaften Moment. Es gibt keine Gottferne mehr, auch im Tod nicht.

Gott schenkt neues Leben. Gott schenkt ewiges Leben.

Hanna in der Bibel und die junge Frau, die um ihr Kind trauert. Beide haben Menschen um sich herum, in denen Gott für sie da ist - beim Zuhören, beim gemeinsam die Trauer Aushalten, beim einander Stärken in der Hoffnung. Hanna und die junge Frau, sie haben eine Freundin in Maria, der Mutter von Jesus, die ihren Sohn geschenkt bekam und ihn hat sterben sehen.

Für viele ist Maria die Mutter des Schmerzes und der Freude aller Frauen. Maria hat ein Lied angestimmt, das ganz ähnlich klingt wie das Lied der Hanna: „Meine Seele erhebt den Herrn, mein Herz ist fröhlich in dem Herrn.“ Das Magnifikat der Maria zitiert den Jubel der Hannah fast Wort für Wort. Und die junge Frau, die mit jemandem über ihren Verlust und ihre Trauer reden konnte, schreibt noch am Abend eine WhatsApp: „Vielleicht ist es übertrieben, wie ich reagiere, aber wenn man nach so langer Zeit die Tür geöffnet bekommt und endlich das Gefühl bekommt, unter Leuten zu sein, die einen verstehen, das hat so unglaublich viel Wert für mich.“ Drei Frauen, die Schmerz erleiden und erleben, dass Gott ihr Leid sieht und ihnen im Schmerz nahe ist. Gnade erfahren. Drei Frauen, in deren Schicksal offenbar wird, dass Gott keinem fern ist, ganz gleich welches Schicksal er erlebt.

Das ist Ostern: Nach langer Zeit bekommt man eine Tür geöffnet. Ostern ist, wenn ich mich wie tot gefühlt habe und neu auflebe. Ostern ist die Hoffnung und das Vertrauen, dass Gott sogar im Tod bei mir ist und mich auferweckt zum ewigen Leben.

Das Läuten der Glocken, unser Singen tragen es in die Welt, in unsere Stadt, in unser Dorf hinein: „Christus ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Halleluja!“ Amen.

Amen

Es gilt das gesprochene Wort.