Freue dich, erlöste Schar!

Gemeinde Bremerhaven

Freue dich, erlöste Schar!
Live-Übertragung aus der Christuskirche, Bremerhaven
18.06.2023 - 10:05
27.01.2023
Superintendentin Susanne Wendorf-von Blumenröder
Über die Sendung:

Evangelischer Rundfunkgottesdienst am 18. Juni 2023 (2. Sonntag nach Trinitatis) aus der Christuskirche in Bremerhaven im Deutschlandfunk, 10.05 bis 11 Uhr

Superintendentin Susanne Wendorf-von Blumröder beschäftigt sich in ihrer Predigt mit der Erzählung Jesu vom großen Gastmahl und fragt: Wie weit ist der Weg von einem anfangs enttäuschten Gastgeber hin zu einer selbstverständlich bunten Gesellschaft an seinem Tisch? Dabei verbindet sie den Predigttext mit der Bach-Kantate „Freue dich, erlöste Schar“.
Diese steht im Zentrum des von beeindruckender Kirchenmusik geprägten Gottesdienstes. Die musikalische Leitung hat Kreiskantorin Eva Schad.

Gottesdienst nachhören:
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Predigt zum Nachlesen:

I

Eine Einladung flattert ins Haus. „Wir möchten mit euch feiern und laden ein zur Party in unseren neu erblühenden Garten am Samstag, den 8. Juli, ab 17 Uhr.“

Kann ich sie annehmen? Habe ich Zeit und Lust? Will ich die Einladung annehmen? Einige Gedanken gehen mir durch den Kopf. Erinnerungen an richtig schöne Abende. Überraschend gut. Aber auch solche, an denen viel geschwiegen wurde, keine Stimmung aufkam und der Blick immer wieder zur Uhr wanderte. So gut kenne ich sie ja nicht. Haben die Menschen, die einladen, sorgfältig eine Liste erstellt? Bin ich Ihnen wichtig? Oder wollen sie einfach feiern, egal wer da kommt? Die Einladung ist weit gestreut, der Garten groß genug. Lasse ich mich auf eine Überraschung ein? Habe ich Lust, alte Bekannte wieder zu treffen oder neue Leute kennenzulernen?

So war es auch mit der Einladung zu dem Festmahl, von dem Lukas erzählt. Der Gastgeber hatte sorgfältig eine Liste erstellt mit den Gästen, die er einladen wollte. Dann hatte er alles vorbereitet, Köche beauftragt, Essen gewählt und Getränke, die Tische geschmückt. Er möchte einen schönen Abend haben mit guten Gesprächen und Genuss. Alles ist vorbereitet, er schickt seinen Diener los, die Gäste abzuholen.

Und das geht schief.

Einer nach dem anderen sagt ihm ab. Es ist nicht so, dass sie keine Lust hätten. Oder doch? Man lässt sich ja was einfallen, wenn man absagt. „Ich habe keine Lust“, wäre ja nun doch eine sehr direkte Antwort.

Den wohlhabenden Gastgeber, und wohlhabend ist, wer so eine Einladung ausspricht, holt die Realität ein. Er hatte seinesgleichen eingeladen zu seinem festlichen Mahl. Ihre Antworten kennzeichnen sie als ebenfalls wohlhabende Hausherren. Sie haben eigenes Land, sie haben gerade einen neuen Acker gekauft. Sie besitzen Vieh, fünf Gespanne Rinder haben sie erworben. Sie haben geheiratet. Sie werden nicht kommen. Der Gastgeber erhält von seinesgleichen Absagen.

Und nun?

Das Fest soll stattfinden. Der Gastgeber schickt seinen Sklaven auf die Straßen und Gassen der Stadt, dass er die „Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen“ hereinbringe. Der soll dann noch einmal hinausgehen an die Wege und Mauern, damit das Haus voll werde und das Festmahl stattfinden kann. Der Sklave soll die Menschen nötigen oder zwingen herein zukommen … – Was wird das wohl für ein Fest werden? Und warum handelt der Gastgeber so, wie er handelt?

Ich glaube: Hier  sind Gefühle im Spiel. Der Gastgeber reagiert beleidigt. Die Menschen, die er eigentlich dabei haben wollte, sagen alle ab und er will es ihnen zeigen. „Es geht auch ohne euch. Ich lade andere ein.“

Das Gleichnis ist oft so verstanden worden, dass Gott der Gastgeber ist. Ausgesprochen werde die Einladung in das Reich Gottes. Die Einladung in ein gelingendes und erlöst befreites Leben. Und weiter wird dann so interpretiert, dass die, die nicht Jesus nachfolgten, die keine Christinnen und Christen wurden, die Einladung ins Reich Gottes ablehnen und nun andere dran sind.

Ich mag mir Gott nicht als beleidigten Gastgeber vorstellen. Die Treue zu seinem auserwählten Volk wird er doch nie aufgeben. Es gibt genug biblische Worte, die die Trauer Gottes über verfehlte Wege seines Volkes beweisen. Er trauert, weil er treu bleibt.

Verlassen wir also diese zu kurz gedachte Erklärung.

Es gibt eine andere Deutung.

Der Gastgeber ist reich und seinesgleichen beachten nicht, was er Gutes tun will. Das geplante Fest findet nicht wie gewünscht statt. Die Wohlhabenden sind des Feierns müde. Sie stellen Ihre persönlichen Interessen in den Vordergrund, nicht die Gemeinschaft miteinander.

Der Gastgeber reagiert enttäuscht und beleidigt.

Aber was wird das für ein Fest mit den Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen, denen von den Wegen und Straßen? Es kommt mir vor, als seien sie Lückenbüßer. Werden sie es merken? Es kann ihnen doch wohl kaum gefallen, lediglich der Ersatz zu sein. Oder sind sie einfach nur froh, einmal was zu essen zu bekommen? Ist das ein Festmahl? Von nötigen und zwingen wird auch noch geschrieben. Eine verfahrene Situation.

Das Gleichnis wird verständlicher, wenn nicht Gott als Gastgeber gesehen wird, sondern das Gleichnis als Geschichte, die Jesus erzählt, um die Praxis der damals üblichen Einladungen zu kritisieren. Die Aussage ist dann: Wenn ihr ein Gastmahl macht, dann ladet nicht nur euresgleichen ein, sondern auch die anderen, auch die Armen. Wenn ihr das gleich macht, müsst ihr nicht beleidigt sein über Absagen, die ihr bekommt, und ihr gebt niemanden das Gefühl, als Ersatz eingeladen worden zu sein. So kann ein Fest gelingen. So werdet auch ihr in Gottes Reich eingeladen. So wird euer Leben gelingen.

Wie weit ist der Weg von einem beleidigten Gastgeber, der Menschen von der Straße einlädt, um sein Haus voll zu kriegen und sie ja somit benutzt, hin zu einer selbstverständlich bunten Gesellschaft?

Ein gelingendes Fest ist das Ziel, ein gelingendes Leben, das Reich Gottes. Freue dich erlöste Schar!

 

II

Festliche Musik verbreitet fröhliche Stimmung. Sie gehört auch zu einem Fest dazu. Und es muss nicht immer ein Festsaal sein. Die gute Stimmung der Menschen ist wichtiger. Das Fest hat Chancen, wenn alle es wollen, egal wo.

„In Lehe picknickt man mitten auf der Straße.“ – So wurde in der Zeitung geworben für ein gemeinsames Essen im armen und problembehafteten Stadtteil Bremerhavens. Die Straßenkreuzung Goethestraße/Adolfstraße war am letzten Sonnabend in der Mittageszeit gesperrt für den Autoverkehr. „Essen und Trinken gibt es satt, wenn alle etwas mitbringen“, heißt es von der Quartiersmeisterei. Auch eigenes Geschirr und Besteck sollte mitgebracht werden. Eine Anmeldung ist nicht nötig – einfach kommen und mitmachen.

So werden heute Einladungen ausgesprochen. Berichte und Bilder zeigen eine fröhliche Runde. Menschen haben volle Teller, sie lachen und erzählen sich Geschichten. Erinnerungen und Wünsche. Ob sie sich vorgenommen haben, etwas in ihrem Stadtteil zum Guten hin zu verändern? Oft wird sich ja nur beschwert und geklagt. Ein Gastmahl auf der Straße gelingt besser, wenn es fröhlich ist. Wenn alle mitmachen wollen, nicht nur die Stunden über Mittag, sondern auch dann, wenn man sich in der Woche wieder sieht. Sich wiedererkennen, ein Lächeln zeigen, ein kurzes Wort miteinander wechseln. Einander ins Gesicht sehen und Interesse zeigen.

Gar nicht so einfach. Der Blick in ein Gesicht wird oft durch einen Blick aufs Handy ersetzt. Social Media, WhatsApp und Co. sind wunderbar, wenn man sich informieren und schnell eine Meinung austauschen will. Geschrieben und kommuniziert wird allerdings mit seinesgleichen. Ich schreibe denen, die ich kenne, dann muss ich mich nicht mit denen auseinandersetzen, die mir fremd sind und mit denen ich gerade Probleme habe. Ein Kollege aus dem Stadtjugenddienst erzählte mir, dass er es leid war, dass Teilnehmende einer Freizeit ihren Freunden und auch den Eltern schrieben, was ihnen gerade fehlte, aber kein Wort davon ging an ihre Zimmernachbarn. Und dann kamen z.B. Eltern vorbei und brachten eine Tube Zahnpasta, die vergessen worden war, anstatt dass die Tochter die anderen Jugendlichen gefragt hätte, ob sie ihr Zahnpasta geben könnten. Sie hätten dann auf der Freizeit erstaunliche Erfahrungen gemacht, als alle sich einig waren, die Handys für einen Tag auszuschalten. Sie redeten miteinander, so verschieden sie waren. Und das war gut.

Wir können erstaunliche Erfahrungen machen, wenn wir das Miteinander auf einer Freizeit oder in unserer Stadt unseren persönlichen Wünschen gegenüber in den Vordergrund stellen. Den anderen sehen, ein freundliches Wort miteinander wechseln. Interesse am anderen zeigen.

Die Aussichten auf ein gelingendes Leben sind nicht rosig. Auch alle Menschen miteinander werden Mühe haben, die globalen Herausforderungen z.B. des Klimaschutzes anzunehmen und Gefahren abzuwenden. Verlieren wir die glücklichen Momente unseres Lebens dabei nicht aus den Augen.

Manchmal ist es gut, wenn alle mitmachen. Schön, wenn von Anfang an alle eingeladen werden und sich nicht zieren, der Einladung zu folgen. Sorgen und Nöte können besprochen werden. Oft können wir uns helfen, wenn wir voneinander wissen. Und Spaß macht es ganz oft auch.

Die Einladung zur Gartenparty nehme ich an. Wie mein Leben gelingt, ob ich befreit und erlöst einmal alt und lebenssatt sterben kann und die Zukunft meiner Kinder und Kindeskinder in guten Händen weiß, das ist noch ein bisschen offen. Aber ich hoffe darauf. 

Amen

 

Es gilt das gesprochene Wort.

27.01.2023
Superintendentin Susanne Wendorf-von Blumenröder