Schiersteiner Brücke

Gemeinfrei via Unsplash/ Modestas Urbonas

Schiersteiner Brücke
Gedanken zur Woche von Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz
18.08.2023 - 06:35
27.01.2023
Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz
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Die Gedanken zur Woche im DLF.

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Das biblische Volk Israel wollte ins gelobte Land. Endlich! 40 Jahre Wüstenwanderung lagen hinter ihm. Jetzt nur noch über den Jordan, dann waren sie da! Wie aber über den Fluss kommen? In kleinen Booten hätte das für Menschen, Tiere und Gepäck Monate gedauert. Brücken über den Jordan gab es noch keine. Also musste ein Wunder her! Die Bundeslade, eine Art transportables Heiligtum, wurde in den Jordan getragen, flankiert von Vertretern der zwölf Stämme Israels. So steht es in der Bibel im Buch Josua. Und dann blieb das Wasser des Flusses stehen wie eine Mauer. Alles Volk konnte trockenen Fußes hindurchziehen. Aber warum haben sie denn keine Brücke gebaut? Sie konnten es noch nicht. Brücken waren ihnen schlicht unbekannt. Tatsächlich wird in der ganzen Bibel nicht ein einziges Mal eine Brücke erwähnt.

Heute ist die Überbrückung des Jordans technisch kein Problem. Die Allenby Bridge überquert den Fluss jetzt ungefähr da, wo die Erzählung im Buch Josua spielt. Die Brücke ist bautechnisch nicht sehr spektakulär. Da kennen die Welt und auch Deutschland ganz andere Brücken und Herausforderungen.

Diese Woche wurde nach zehn Jahren endlich die Schiersteiner Brücke über den Rhein wiedereröffnet. Sie verbindet Wiesbaden mit Mainz, Rheinland-Pfalz mit Hessen. „Endlich fertig!“, möchte man sich freuen. Aber sofort fallen einem zahlreiche Brücken in Deutschland ein, die zurzeit Baustelle sind und für Dauerstau sorgen: die Salzbachtalbrücke ebenfalls bei Wiesbaden; die Rahmedetalbrücke im Sauerland. Da ist die alte Brücke ist inzwischen gesprengt, aber der Neubau dauert noch Jahre. Von 130.000 Brücken in Deutschland sind 16.000 marode. Dringend sanierungsbedürftig.

Da kann man schimpfen und sich ärgern. Gleichzeitig sind wir selbst Teil des Problems, denn der Verkehr hat um ein Vielfaches zugenommen. Als 1962 die erste Schiersteiner Brücke fertig wurde, hatte man mit 8.000 Autos täglich geplant. In den letzten Jahren fuhren täglich aber 80.0000 Autos darüber, das Zehnfache der Planung. Milliarden und Abermilliarden Euro sind nötig, um die Brückenprobleme in den Griff zu kriegen. Droht dem Verkehr in Deutschland 40 Jahre Brückenstau?

Jede achte Brücke muss repariert oder neugebaut werden. Heißt aber auch: Sieben andere sind in Ordnung! Die nutzen wir einfach und selbstverständlich.

Brücken sind wahre Wunder menschlicher Ingenieurs- und Baukunst. Denn Brücken müssen standhalten: dem Fluss, der unter ihnen fließt, und dem Verkehr, der über sie fließt. Sie verbinden, sie ermöglichen, sie bringen ans andere Ufer. Sie haben Symbolkraft. Deswegen ist auch auf jedem Euroschein eine Brücke abgebildet. Sie stehen für dauerhafte Verbindung zwischen Menschen über das hinweg, was sie sonst trennt.

Israel ist ein bergiges Land. Reisen in biblischer Zeit führten durch Schluchten und über Berge. Sie waren beschwerlich. Die Israeliten stellten sich vor, wenn Gott kommt, wenn der Erlöser erscheint, kommt er auf einer ebenen Straße. Täler und Berge werden ausgeglichen. Heutzutage wären für eine solche ebene Straße Brücken die technische Lösung. Die kannten die Israeliten noch nicht, aber geträumt haben sie davon. In der Bibel steht:

In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden. (Jesaja 40, 3.4)

So gesehen ist jede Brücke ein Stückchen Himmel auf Erden, eine stetige Erinnerung daran: Der Abstand zwischen Gott und Mensch und auch das, was Menschen voneinander trennt, ist überbrückbar.

Es gilt das gesprochene Wort.

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Pfarrer Thomas Dörken-Kucharz