Die Fische und wir

Gemeinfrei via unsplash / Jeremy Cai

Die Fische und wir
Gedanken zur Woche von Pfarrer Martin Vorländer
19.08.2022 - 06:35
11.06.2022
Martin Vorländer

Schon die Bibel weiß: Wir Geschöpfe sind auf einander angewiesen. Geht es etwa den Fischen schlecht, bleiben auch wir davon nicht unberührt.
Trotzdem fällt es uns ganz offensichtlich schwer, so zu leben, dass die Umwelt davon keinen Schaden nimmt.
Martin Vorländer ist dennoch zuversichtlich: Umdenken und Aufbruch sind möglich! Weg von starren Denkmustern, hin zum flexiblen Denken - so wendig wie ein Fisch in gesundem Wasser.

Die Gedanken zur Woche im DLF.

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Der Fluss stinkt. Die Fische treiben mit dem Bauch nach oben auf dem Wasser. Hunderte, tausende tote Fische. Die Menschen ekeln sich. Dazu kommt: Sie haben nun selbst kein Wasser mehr zu trinken. Der Fluss ist verseucht. Sein Wasser hat sich rot verfärbt.

So erzählt die Bibel von der ersten der zehn Plagen in Ägypten[i]. Das Nilwasser verwandelt sich in Blut, die Fische im Strom sterben. An diese biblische Geschichte muss ich denken, wenn ich die Bilder von der Oder in Polen und in Deutschland sehe. Dort herrscht seit Ende Juli ein massives Fischsterben. Technisches Hilfswerk, Feuerwehrleute und viele Freiwillige holen tonnenweise tote Fische aus dem Fluss. Die verendeten Wassertiere liegen mit aufgerissenen Mäulern am Ufer. Der Gestank der Kadaver ist unerträglich. LKWs müssen sie in Verbrennungsanlagen transportieren.

Eine eindeutige Ursache für das Fischsterben haben die Wissenschaftlerinnen und Forscher bislang noch nicht gefunden. Es gibt verschiedene Vermutungen: Algen, die im auffällig gestiegenen Salzgehalt wuchern, ein Industrieunfall, giftige Abwässer, die Trockenheit und dadurch zu wenig und zu warmes Flusswasser. Es kann auch die fatale Kombination von diesen Faktoren sein.

In der Geschichte in der Bibel von den ägyptischen Plagen verursacht der Mensch das Fischsterben. Genauer gesagt: der Pharao von Ägypten, der alle Warnungen nicht hören will. Mose bittet ihn für die Israeliten, die der Pharao als Sklaven für sich arbeiten lässt: „Lass mein Volk ziehen!“ Aber das Herz des Pharao ist hart. Er weigert sich. Er will weitermachen wie bisher, denn auf der Ausbeutung anderer beruht sein Wohlstand.

Da lässt Gott zehn Plagen über Ägypten kommen. Die erste Plage ist ein großes Fischsterben im Nil. Und die Menschen können das Wasser des Flusses nicht mehr trinken. 

Die Geschichte in der Bibel beinhaltet ein uraltes Menschheitswissen: Die Fische und wir gehören zusammen. So wie alle Geschöpfe und die Natur. Wir bilden eine Schicksalsgemeinschaft. Verhalten wir uns falsch, leiden die Fische. Sterben die Fische, ist auch das Leben von Menschen in Gefahr.

Wasser ist der Urstoff des Lebens, und die Fische sind in der Bibel die ersten Tiere, die Gott werden lässt. Giftiges Wasser und Fischsterben kann einem deshalb apokalyptisch vorkommen. Der Ursprung von allem, was lebt, ist in Gefahr.

Der Pharao lässt sich davon nicht beeindrucken. In der Bibel steht: „Der Pharao wandte sich und ging heim und nahm sich auch dies nicht zu Herzen.“ Es braucht noch neun weitere Plagen, bis er umdenkt.

Plagen haben wir ja zurzeit mehr als genug. Das notwendige Umdenken fällt schwer und braucht oft viel zu lange. So einfach ist es auch nicht, einen Lebensstil zu ändern, der seit langem Wohlstand beschert. Da bin ich oft wie der Pharao, der sich lieber abwendet und heimgeht. Er macht einfach so weiter und nimmt sich nicht zu Herzen, dass er auf Kosten anderer lebt und der Natur schadet.

Die biblische Geschichte vom Fischsterben und den Plagen in Ägypten ist keine Apokalypse. Sie endet nicht im Weltuntergang. Im Gegenteil: Sie mündet in die Freiheit. Der Pharao denkt um. Er überwindet die Härte seines Herzens und lässt die Israeliten aus der Sklaverei in die Freiheit ziehen.

An dieser Freiheit halte ich fest. Das ziehe ich positiv aus der biblischen Geschichte von den Plagen. Es sind genug der Krisen und Katastrophen. Aber: Umdenken und Aufbruch sind möglich. Heraus aus falschen und fatalen Abhängigkeiten. Weg von starren Denkmustern. Das erfordert die eigene innere Bewegung. Dafür brauche ich Gottes Kraft.

Für die Oder bin ich allen Helferinnen und Helfern dankbar. Und denen, die nach den Ursachen für das Fischsterben forschen. Dann kann man handeln und das Notwendige tun, um den Lebensraum Fluss besser zu schützen. Für die Fische und für uns.

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[i] 2. Mose 7,14-23

 

Es gilt das gesprochene Wort.

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11.06.2022
Martin Vorländer