Christliches Abendland

Morgenandacht
Christliches Abendland
26.07.2018 - 06:35
20.06.2018
Lucie Panzer
Sendung zum Nachhören
Sendung zum Nachlesen

Das christliche Abendland orientiert sich an Jesus Christus. Jedenfalls, wenn man diesen Begriff für sein Land in Anspruch nimmt. Wie erkennt man, dass ein Land „christlich“ ist? Ich glaube, da helfen die Kreuze in den Amtsstuben nicht viel, wie sie jetzt in Bayern angeordnet sind. Die Identität des christlichen Abendlandes soll damit gezeigt werden, heißt es. Die Identität – also „die Gesamtheit seiner Eigentümlichkeiten“. So erklärt Wikipedia, was Identität ist. Was ist die Gesamtheit unserer Eigentümlichkeiten in Bayern, in Deutschland, in Europa, wenn ich „christliches Abendland“ ernst nehme? Sind wir eigentümlich christlich?

 

Schön wäre es, finde ich. Wenn wir uns an Jesus Christus orientieren würden. Durch ihn hat sich Gott gezeigt: Barmherzig, besonders den Schwachen zugewandt. Jesus hat gezeigt, wie das gehen könnte. Und wie gut das tut. Aber: Er ist deswegen hingerichtet worden. Gekreuzigt. Weil die Menschen schon damals fanden: Das geht zu weit. So kann man nicht leben. An Jesus Christus hat man doch schon gesehen, wohin das führt.

 

Ich überlege trotzdem, wie das aussehen könnte: Jesus Christus, den gekreuzigten Gott als Vorbild und mit ihm die Identität unseres christlichen Abendlandes zeigen. Wie kann das gehen? Wie können wir das schaffen in unserem Land?

 

Kreuze aufhängen reicht da nicht. Ich glaube, dazu müssten wir selber Vorbilder sein. Jeder und jede, die sich Christ oder Christin nennen – Vorbilder für einander und vor allem für unsere Kinder. Wenn sie bei uns sehen, wie man einander grüßt und sich nach dem Ergehen des anderen erkundigt, wenn sie spüren, wie auch sie Ernst genommen werden, wie wir nicht befehlen, sondern Danke sagen und Bitte, wenn sie sehen, wie wir anerkennen, was andere getan haben, wie wir Anteil nehmen am Kummer anderer und an ihrer Freude, wie wir Schwächere beachten und zu helfen versuchen, so gut wir können. Dann entstehen Bilder in unseren Kindern und Enkeln. Bilder, an denen sie sich orientieren können. Vor-Bilder für ein christliches Land.

 

Ich glaube, es ist noch etwas Zweites wichtig. Wir müssen auch von Vorbildern erzählen. Von Jesus vor allem, der gesagt hat: Selig sind die Leidtragenden und die Barmherzigen und die Friedensstifter. Von Jesus erzählen, der denen aufgeholfen hat, die gescheitert waren. Der die Menschen ermutigt hat, die geglaubt haben: mich will doch keiner. Jesus, der nicht seinen eigenen Vorteil gesucht hat, sondern für andere gelebt – damit das Leben gut wird. Solche Geschichten bilden das Herz.

 

Den Gekreuzigten und seine Regeln im Herzen. Das wäre ein neuer Anfang für ein gutes Miteinander. Dann hat man nicht nur Verbote und Gebote. Dann weiß man selber, was gut ist für das Zusammenleben.

 

Ja, das wäre schön, sagen manche, aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Da sehe und erfahre ich immer wieder: Es klappt nicht. Menschen schaffen das einfach nicht. Ich schaffe es nicht, so von Herzen barmherzig zu sein. Obwohl ich es ja gern möchte.

 

Da tröstet es mich, dass Gott immer wieder neu mit uns anfängt. Zu Menschen, die gelähmt waren, die tief gebeugt waren, die zusammengebrochen waren unter den Erfahrungen ihres Lebens, zu denen hat Jesus gesagt: „Steh auf. Geh nach Hause. Fang neu an“. Ich brauche also nicht zu resignieren. Ich muss nicht denken: Das geht nicht. Die Realität ist anders. Mit Barmherzigkeit kann man da nichts erreichen. Ich kann neu anfangen, auch wenn ich einmal gescheitert bin.

 

Zugegeben, das klappt auch heute noch längst nicht immer. Unsere Welt ist nicht das Paradies. Aber wo Menschen sich an Christus orientieren, da fängt seine neue Welt an.

Und eines Tages wird es soweit sein. Dann wird Gott seine gute Welt überall durchsetzen. Darauf hoffe ich. Und bis dahin – ich finde, bis dahin können wir schon mal üben. Den gekreuzigten Gott als Herzenssache und Vorbild. Damit das Leben gut wird im christlichen Abendland.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

20.06.2018
Lucie Panzer