Die Hölle, das sind die Anderen

Morgenandacht

Bild: Thomas Dörken-Kucharz

Die Hölle, das sind die Anderen
Sie gibt es und es gibt sie nicht
27.05.2019 - 06:35
25.04.2019
Thomas Dörken-Kucharz
Sendung zum Nachhören
Sendung zum Nachlesen

Die Hölle gibt es und es gibt sie nicht.

Es gibt sie nicht. Es gibt sie nicht so, wie sie jahrhundertelang ausgemalt wurde und den Menschen Angst machte. Gott ist kein Sadist und er hält sich auch keinen, nämlich den Teufel. Er braucht keinen, der für ihn die Drecksarbeit erledigt, damit seine Hände sauber bleiben. Gott ist kein Mafioso. Basta. Es gibt diese Hölle nicht. Denn gäbe es sie, würden wir auf ewig im Dualismus von Gut gegen Böse gefangen sein. Das wollte schon Paulus nicht. Er wollte es nicht mal für unseren Umgang miteinander. „Überwindet das Böse mit dem Guten“ schrieb er. Und dieser ethische Anspruch soll für Gott nicht gelten?

 

Eine Hölle mit ewigen Strafen würde eigentlich bedeuten, dass Jesus und somit auch Gott versagt haben. Denn die Kreuzestat Jesu wäre nur für einige wenige Erlösung. Der Großteil der Menschheit käme in die Hölle, entweder, weil er nie die Chance hatte, von Jesus zu hören und sich ihm und der Kirche anzuschließen, oder weil man aus welchen Gründen auch immer der Kirche den Rücken gekehrt hat. Oder auch weil man in der Kirche ist und schlimme, ja schlimmste Dinge tut? Ist Gott ein Buchhalter oder gar ein Buchmacher?

 

Das Ungeheuerliche des christlichen Glaubens ist das Vertrauen in einen Gott, der Liebe ist, der letztlich stärker ist als menschliches Versagen, menschliche Grausamkeit und menschliche Schuld. Und der allein der Ewige heißt und keine „ewige Verdammnis“ neben sich dulden will.

 

Es gibt keine Hölle. – Und es gibt sie doch! Denn das Böse durch Menschen, das soll keineswegs verleugnet oder verniedlicht werden. Heute vor 75 Jahren fiel zum ersten Mal im Theater der Satz: „Die Hölle, das sind die anderen!“ Er stammt aus dem Theaterstück „Geschlossene Gesellschaft“ von Jean-Paul Sartre. Darin lässt Sartre drei Menschen in einem Raum eingeschlossen sein, die sich auf immer nicht entkommen können und sich gegenseitig das Leben zu Hölle machen. Ja, die Grausamkeiten, die Menschen sich und anderen antun können und antun, sind kaum auszumalen und kaum auszuhalten. Das kann die Hölle sein. Es gibt sie also.

 

Nur dass Gottes Lösung für menschliche Bosheit ewige Strafe und ewige Rache sein soll, das will mir nicht einleuchten. Aber die Fragen nach „Gerechtigkeit für die Opfer“ und nach „Vergebung für die Täter“ wiegen unendlich schwer. Wann und wo, wenn nicht im Jenseits, gibt es wirkliche Gerechtigkeit für unschuldige Opfer? Oder gibt es keine? Und kann es für Täter wirkliche Vergebung geben? Wer anderen das Leben hier zur Hölle macht, dem wünscht man natürlich selbst die Hölle. Diese Fragen sind so schwer, dass man darüber auch verzweifeln kann.

 

In Christus versöhnte Gott die Welt mit sich selbst. Und wenn Gott die Welt versöhnt, dann die ganze Welt und alle Menschen. Gott wird – das ist die äußerste christliche Hoffnung – alle zurechtbringen, also auch die Schwerverbrecher, die Sexualtäter, Folterer, Verblendeten, Terroristen und Massenmörder.

 

Es übersteigt meine Vorstellungskraft, wie. Das muss ich Gott überlassen. Und manchmal kann ich das auch. Meine Hoffnung ist, dass in einem „mehr an Leben“, in einer Neuschöpfung Gottes, so viel Güte und Leben, so viel Neuanfang liegt, dass keine und keiner auf ewig zurückbleibt oder ausgeschlossen bleibt und dies nur von tief unten erlebt. Dieser Läuterungs- und Heilungsprozess ist vielleicht unendlich scham- und schmerzvoll, sein Ziel aber ist Versöhnung und Erlösung. Auch wenn es mir oft genug die Sprache verschlägt und der Zweifel nicht aufhört zu nagen, diese Hoffnung will ich nicht aufgeben.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

25.04.2019
Thomas Dörken-Kucharz