Gehört das Christentum zu Deutschland?

Morgenandacht
Gehört das Christentum zu Deutschland?
Feiertage
11.06.2018 - 06:35
01.03.2018
Matthias Viertel
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Ob der Islam zu Deutschland gehört oder nicht - das ist hinlänglich diskutiert worden. Beigetragen hat die Debatte mehr zur Konfrontation als zur Klärung. Viel näher liegt die Frage, die in dieser Diskussion meist gar nicht gestellt wird: Nämlich ob das Christentum zu Deutschland gehört?

Antworten auf beide Fragen sind schwierig, weil schon die Formulierung  auf falsche Fährten führt. Solche Besitz anzeigenden Wörter wie „gehört zu“ passen nicht, wenn es um geistige Dinge geht. Trotzdem kann es sinnvoll sein, die Fragen zu stellen, weil das Ringen um Antworten durchaus aufschlussreich ist.

Bei der Überlegung, ob das Christentum zu Deutschland gehört, fällt ein eigenartiger Wettbewerb auf: Es geht um Feiertage! Jene Bundesländer im Norden, die eher protestantisch geprägt sind, haben schon lange Anstoß daran genommen, dass die Länder mit katholischer Tradition mehr Feiertage haben. Darunter solche wie Mariä Himmelfahrt oder Fronleichnam.

Um einen Ausgleich herzustellen, wird in den benachteiligten Ländern nach einem neuen Feiertag gesucht, oder besser gesagt nach einem neuen Anlass zum Feiern. Schleswig-Holstein ging voran, und schlug unter anderem den Reformationstag vor. Das gerade zurückliegende Jubiläum der Reformation bot dazu den aktuellen Anstoß. Aber ganz so einfach ging es auch wieder nicht, die Kritik an dem Vorschlag ließ nicht lange auf sich warten. Im Landtag wurde als Alternative der Weltfrauentag vorgeschlagen oder sogar das Datum der Landesverfassung. Die Befürworter des Reformationstags konnten sich erst durchsetzen, nachdem sie versicherten: die Reformation sei kein ausschließlich religiöses Datum, sondern hätte allgemein kulturellen Charakter. Ein rein religiöser Feiertag war kaum mehrheitsfähig.

Aber schon wird Protest aus anderen Ländern angemeldet: Brandenburg will zwar ebenfalls einen weiteren Feiertag einführen, schon um der Gerechtigkeit willen. Dort hält man den Anlass des 17. Juni für geeigneter. Nur zur Erinnerung: Das ist das Datum des Volksaufstandes in der ehemaligen DDR. Ob mit dieser Erinnerung mehr Menschen angesprochen werden, bleibe dahingestellt. Hauptsache kein weiterer religiös geprägter Feiertag.

Ist es tatsächlich so, dass die meisten Menschen sich mit christlichen Festen nicht identifizieren können? Anders gefragt: ist es in einem Staat, der Religionsfreiheit garantiert, wirklich nötig nach Feiertage zu suchen, die außerhalb jeder Glaubenswelt stehen? Ergibt es überhaupt Sinn, Feiertage nur zu akzeptieren, wenn sie neutral daherkommen? Hinter dieser Auffassung könnte auch ein Missverständnis stehen.

Das Missverständnis könnte in der Annahme liegen, dass Feste ausgrenzenden Charakter haben. Möglicherweise ist es da hilfreich, auf die eigenen, persönlichen Feste zu schauen und wie sie gefeiert werden. Wer etwa heiratet, lädt in der Regel Freunde, Bekannte und Nachbarn zum Mitfeiern ein. Wahrscheinlich käme niemand dabei auf die Idee, diese Feier als ausgrenzend zu empfinden. Mit religiösen Feiertagen ist das grundsätzlich gar nicht anders: Nur dass sie nicht ein persönliches Datum in den Vordergrund stellen, sondern wichtige religiöse Ereignisse in der Biographie einer Gesellschaft markieren.

Auch dazu können wir uns gegenseitig einladen und uns einladen lassen. Nichts wäre gewonnen, wenn aus falsch verstandener Toleranz zukünftig nur noch solche Daten zum Fest werden, die niemanden mehr betreffen, weil sie neutral sind. Eigentlich müsste dann auch der Sonntag entfallen, immerhin weist er als wöchentlicher Ruhetag auf den biblischen Schöpfungsbericht hin, und soll eben daran erinnern, dass auch Gott am 7. Tag ruhte. Besser ist es da schon, die Feiertage zur Begegnung zu nutzen, um sich und die anderen besser kennenzulernen und das, was den einen ganz wichtig ist, mit anderen zu teilen.

01.03.2018
Matthias Viertel