Hochzeit eines schwulen Paares

Wort zum Tage
Hochzeit eines schwulen Paares
17.06.2021 - 06:20
10.06.2021
Florian Ihsen
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Schicker schwarzer Anzug, weißes Hemd, Krawatte, der Bart wird gestylt. Und beide tragen eine Rose im Anzugrevers. Tom und Martin heiraten – ein Frühlingstag vor neun Jahren. Sie sind das erste Männerpaar, das in dem Dorf im Bayerischen Wald heiratet. 
Das Fest beginnt in der Kirche. Nicht in der großen katholischen, sondern in der schlichten kleinen evangelischen Kirche. Wir singen „Danke für diesen guten Morgen“ und „Großer Gott wir loben dich“, hören das Halleluja von Leonard Cohen, die Geschwister von Tom und Martin tragen Lesungen und Fürbitten vor. 
Für die meisten hier ist es die erste schwule Hochzeit überhaupt, und dann gleich auch noch in der Kirche. Ungewohnt ist es für manche, aber hernach sagen alle: Das ist schön und richtig und in sich stimmig, dass da zwei ihre Liebe feiern, um Segen bitten und sich versprechen: Wir sind füreinander da. Der Segen, Gottes Ja zu den beiden und zu ihrer Liebe, tut gut, denn Martin und Tom kennen auch Ablehnung. Martins Mutter etwa ist nicht zur Hochzeit gekommen. 
Martin und Tom sind das erste Männerpaar, deren Hochzeitsgottesdienst ich als Pfarrer gestaltet habe. Ich bin dankbar, dass das in meiner Kirche möglich ist. Auch in der evangelischen Kirche hat man darüber länger diskutiert und tut es manchmal heute noch. Trotzdem, Hochzeiten für Frauen- und Männerpaare sind möglich. Gott sei Dank.
Als der Vatikan vor kurzem verkündet hat, gleichgeschlechtliche Partnerschaften dürften nicht gesegnet werden. hat mich das geärgert und verletzt, auch wenn es mir als Protestant egal sein könnte. Solche Äußerungen unterstützen eine verbreitete Homophobie: eine Furcht vor der Liebe zum gleichen Geschlecht. Diese Furcht hat sich über Jahrhunderte fortgesetzt. Und sie richtet Schaden an bis heute: Väter und Mütter lehnen die Hochzeit ihres eigenen Kindes ab, lesbische Jugendliche werden gemobbt, Jungs, die auf Männer stehen, leiden häufiger an Depressionen. Homophobe Äußerungen reißen alte Wunden auf, die Lesben und Schwule in sich tragen. Nicht Furcht ist von Gott, sondern Liebe, Kraft, Vernunft, lese ich im Neuen Testament. 
Wenn zwei Frauen oder Männer um Segen für ihr Miteinander bitten – wer bin ich, dass ich das ablehnen dürfte? Ich als einzelner Pfarrer „habe“ den Segen gar nicht. Segen kann man nicht haben. Man kann ihn erbitten, empfangen, auch spenden, vor allem aber feiern. Segen geschieht- wenn Menschen das Leben, das sie teilen, feiern.
 

Es gilt das gesprochene Wort.

10.06.2021
Florian Ihsen