Gaudete – Freut euch

Gaudete – Freut euch
Pfarrer Benedikt Welter
15.12.2018 - 23:50
12.01.2018
Pfarrer Benedikt Welter

„Gaudete“, ich sage es bewusst zunächst auf Latein: „Gaudete in Domino“ – „Freut euch im Herrn“!

„Freut euch“, „Gaudete“ – so nennen evangelische und katholische Christen den Dritten Adventsonntag.

Freut euch? Jetzt? In Zeiten wie diesen?

Terror auf dem Weihnachtsmarkt in Strasbourg. Brexit yes or no, Klimawandel so schnell?!  Migration oder Grenzen dicht: das alles lässt doch nicht an Freude denken.

Und dennoch feiere ich diesen dritten Sonntag im Advent unter dem Titel „Gaudete“ – „Freuet euch“. Der heilige Paulus, der diesen Satz geschrieben hat, hat ihn nicht glühweinselig und in Couch-Laune verfasst. Im Knast war er. Eingekerkert wegen seiner Überzeugung.

Aus dieser wenig freudvollen Lage schreibt er einen Brief an die Gemeinde in Philippi in Griechenland. Das war die erste christliche Gemeinde in Europa überhaupt. Die war gerade auch nicht auf Rosen gebettet   Und der, der im Gefängnis sitzt, schreibt an eine Gruppe, die von außen angefeindet wird: „Freut euch im Herrn ZU JEDER ZEIT! Denn der Herr ist nahe.“

Wie kann Paulus so etwas sagen? Welche Freude meint er? Um mich dem anzunähern,  lass ich mich von einem anderen Gefangenen belehren. Auch er wegen seiner christlichen Überzeugungen eingekerkert: Alfred Delp, Jesuitenpater, 1944 in Berlin-Tegel inhaftiert.

Mit Eisenfesseln an Händen und Füßen schreibt er in seiner Gefangenenzelle im Advent 1944 seine Gedanken zu genau diesen Zeilen des Paulus auf.  

Seine Situation im Gefängnis, sein inneres Befinden, sein ganzes Leben konfrontiert Delp mit dem, was Advent bedeutet. Er wartet auf einen Gott, der in Jesus Christus Mensch werden will. Mit allem, was dazu gehört. Auch dass er im Gefängnis sitzt. Von diesem Gott her bleibt die Kerkerzelle, in der er hockt, eine Kerkerzelle und wird zugleich zu einem anderen Ort.

Delp schreibt es so: „Hier treffen Gottes schöpferische und heilende Freiheit und die Freiheit des Menschen aufeinander, der sucht und ruft. An diesem Ort „stirbt nicht die Not, aber der Kummer. Hier verschwindet nicht die Last, aber der Kleinmut. Hier gilt auch die Aufgabe und Bewährung des Daseins, aber nicht als quälende Sorge.“

Deshalb. Gaudete – freut euch!

Was Delp in seinem Ringen um diese Freude im Herrn bedenkt, das begegnet mir derzeit in einem Kollegen und Freund, der die grässliche Diagnose Magenkrebs mitgeteilt bekommen hat. Die Therapie hat begonnen. Er geht seiner Arbeit nach, wie es ihm sein Körper erlaubt. Am Ende einer Arbeitsgruppensitzung erläutert er uns, wie die Therapie angelegt sein wird und dass es eine Möglichkeit gibt, den Krebs zu behandeln. Mit einem überzeugenden Lächeln sagt er: „Also entweder sterbe ich morgen oder übermorgen.“

Die Menschen in seiner Umgebung sind fassungslos, als sie die Nachricht von seiner Erkrankung hören; sie sind ebenso fassungslos im Guten darüber, wie er damit umgeht. Fassungslos beeindruckt. Unfassbar bewegt.

Drei Beispiele für ein Leben in freudloser Zeit. Und in jedem dieser Beispiele ist etwas zu erkennen von dem, was ich morgen am Dritten Advent feiern darf: „Freut Euch im Herrn zu jeder Zeit. Noch einmal sage ich: freut euch!“

Diese Freude darf ich auch Ihnen von Herzen wünschen. Über den Sonntag „Gaudete“ hinaus. Freuen Sie sich!

12.01.2018
Pfarrer Benedikt Welter