Der Wert des Strohhalms

Morgenandacht
Der Wert des Strohhalms
05.07.2021 - 06:35
01.07.2021
Holger Treutmann
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Der Hochsommer beginnt und damit die Erntezeit. Die großen Maschinen fräsen sich durch das wogende Getreide; sammeln im Speicher die ausgedroschenen Körner und lassen das Stroh am Heck zurück auf die Erde fallen. Das wird später zu riesigen Rollen gebündelt. Es heißt, das sei der Teppichboden für den Kuhstall.

Stroh, das ist der Sammelbegriff für Halme, die wenig Wertschätzung erfahren. Der Halm dient dem Korn. Er hebt die Ähre über den Boden hinaus und schützt die Frucht vor vorzeitiger Fäule und Verzehr. Luftgetrockneter Samen, der sich über Jahre, sogar Jahrhunderte hält. Das Stroh dagegen ist vergänglich.

Wenn die Bibel vom Getreide redet, dann spricht sie vom Dreschen. Mit Hochachtung spricht Jesus in seinen Gleichnissen immer wieder vom Korn; vom Stroh ist praktisch nicht die Rede. Es muss weg. Es muss brennen. Es ist taub. Und wer das Dreschen auf der Tenne noch kennt, weiß wie der Wind die Spreu verweht, das wertvolle Korn aber wie pflanzliches Gold im Speicher gesammelt wird. So wird es am Ende sein, sagten schon die Propheten, wenn Gott Gericht hält über die Welt. Was hat Wert und was nicht?

Dabei wussten die früheren Generationen durchaus, auch gegen den Trend den Wert des Strohs zu schätzen. Natürlich ging vieles im Strohfeuer auf und hatte nur kurze Dauer. Wer aber je ein altes Haus mit Lehmwänden renoviert hat, wird wissen, wie stabil die Wände auch nach Jahrhunderten noch sind, wenn lange Strohhalme im Lehm verarbeitet sind. Und weil gehäckseltes Stroh Säure abgibt, war es schon zu Urzeiten ein wichtiger Grundstoff zum Brennen von Ziegelsteinen.

Und wenn der Heiland zu Weihnachten im Milieu von Schafhirten aus Not in eine Futterkrippe gelegt wurde, musste man annehmen, dass der Ewige sich auf den Reststoffen der Ernte betten ließ. Und damit die Vergänglichkeit adelt. 

In diesen Julitagen wird in der EU eine neue Verordnung zur Vermeidung von Plastikmüll in Kraft gesetzt. Strohhalme gehören auch dazu. Sie heißen bis heute so, obwohl sie schon lange nicht mehr aus Stroh, sondern aus Plastik sind. In verschiedenen Größen verfügbar, lustige Farben und Formen. Aber dieser Kleinmüll verschmutzt die Umwelt und gehört zu den Elementen, die sich massenhaft an den Stränden wiederfinden, oder als Mikroplastik in der Nahrungskette der Lebewesen verheerendes Sterben mit sich bringen.

Trinkhalme gehören geächtet. Strohhalme könnten eine Alternative sein, gerade weil das Stroh so vergänglich ist. Gnädige Vorläufigkeit ist dem Stroh eigen. Es ist sich nicht zu schade für Mist und Biomüll. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal einen echten Strohhalm zwischen den Zähnen hatte, um ein Getränk unter den Eiswürfeln hervor in meinen Mund strömen zu lassen. Dieser sanfte Unterdruck, der das Trinken einfach und zu einem Genuss werden lässt. Deutlich ist mir, dass dieser Wertstoff ein wenig anfälliger ist für Luftlöcher und Knicke. Das nehme ich aber gern in Kauf, gerade weil so ein Produkt exemplarisch für weitere Alternativen stehen könnte, die auch anderes Plastik vermeiden lassen. 

Es könnte nämlich sein, wir richten uns selbst zu Grunde, wenn wir das kostbare Meer und unseren Boden weiter verschmutzen. Es könnte sein, wir vollziehen -  noch lange bevor ein Gott über die Erde richtet - ein unbarmherziges Gericht über uns selbst, wenn wir nicht erkennen, wo wir neue Wege suchen müssen, um unseren schönen Lebensraum zu schützen. 
Der Strohhalm ist zu klein, um die Welt zu retten. Aber er ist ein Anfang oder ein Zeichen der Umkehr. Der Strohhalm, nach dem wir greifen. Der biblische Prophet macht jedenfalls Hoffnung und sagt:
Das geknickte Rohr wird Gott nicht zerbrechen und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen.
Sag noch einer, der Strohhalm sei nichts wert.
 

Es gilt das gesprochene Wort.

 

01.07.2021
Holger Treutmann