„Big Five“-Fragen: Löwe

Wort zum Tage
„Big Five“-Fragen: Löwe
26.02.2021 - 06:20
18.02.2021
Pfarrerin Kathrin Oxen
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Zu den „Big five“ der afrikanischen Tierwelt gehört der Löwe, der König der Tiere. Und zu den „Big five“ der Glaubensfragen gehört die Königin dieser Fragen: „Wie kann Gott das zulassen?“ Gerade angesichts der Erfahrungen in der Pandemie wird sie heute wieder neu gestellt.

Eine Naturkatastrophe, das Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755 mit vielen zehntausenden Toten, hatte dem Nachdenken über diese alte Frage neues Futter gegeben. Aber so eine gefräßige Frage wird nie richtig satt. Sie stellt sich nicht nur angesichts der Katastrophen im Weltgeschehen, sondern vor allem angesichts all der Katastrophen, die das eigene Leben wie ein Erdbeben erschüttern können.

In der Bibel geht es vor allem im Buch Hiob um diese Frage. Für mich ist allein schon das ein Trost: Diese Frage muss nicht verdrängt oder verschwiegen werden. Und es geht glaubenden Menschen nicht automatisch besser. Auch ihnen gelingt es nicht, in allem, was ihnen widerfährt, einen Sinn zu erkennen. Die Frage fällt sie genauso an wie ein Löwe seine Beute.

Die Schweizer Pfarrerin Marion Muller-Colard hat das erlebt, nachdem ihr wenige Monate alter Sohn lebensbedrohlich erkrankt war. Sie schreibt: „Manchmal haben wir, oft unbewusst, eine Vertragsbeziehung mit Gott. Und wenn das Wort „Gott“ keinen Sinn mehr für uns hat, dann haben wir ganz sicher eine Vertragsbeziehung mit der Gerechtigkeit. (…) Was wird aus uns allen, wenn unsere Verträge gebrochen werden, ohne dass wir Zeit gehabt hätten, darüber nachzudenken, wer eigentlich genau die andere Partei ist?“

Auf unsere gegenwärtige Situation übertragen: Gegen wen wollen wir angesichts der Pandemie aufbegehren? Sicher nicht gegen andere Menschen, wie Politikerinnen und Politiker, die in der gleichen Situation wie wir alle sind, bloß mit mehr Verantwortung. In einer aufgeklärten und pluralen Gesellschaft wird es schwer, mit Gott in dieser Frage zu rechnen oder gar zu rechten.  Wobei: Ist der heimliche Vertragspartner nicht doch ein sehr fester Glaube, der an die Sicherheit und Unverletzlichkeit der Weise, wie wir leben?

Marion Muller-Colard findet im Gespräch mit dem biblischen Hiob ihre eigene Antwort auf die gefräßige Frage, warum Gott das Schreckliche zulässt.

Sie schreibt: „Es gibt kein System, das das Böse erklären kann. Es gibt weder einen Glaubenssatz noch einen Zauberspruch, der uns unsere Verletzlichkeit erspart.“ Die Frage nach dem „Warum?“ zu stellen, ist genauso so mutig, wie sich in die Nähe eines Löwen zu begeben. Ich hoffe, dass ich nicht von meiner Antwort aufgefressen werde.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

18.02.2021
Pfarrerin Kathrin Oxen