Gundermann

Wort zum Tage
Gundermann
25.02.2020 - 06:20
03.01.2020
Jörg Machel
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David ist einer der ganz großen Namen in der Hebräischen Bibel. Der kleine Hirtenjunge hat den furchteinflößenden Kriegshelden Goliath mit einer Steinschleuder niedergestreckt und damit die Streitmacht der Philister besiegt. Mit seinem Harfenspiel hat er die Depressionen des König Saul gelindert. Als König von Israel wird ihm die Eroberung des davidischen Großreiches zugeschrieben. Um all dieser Taten willen wird David gefeiert.

Doch da gibt es eine dunkle Seite und auch die verschweigt die Bibel nicht. Er hat sich die Frau eines seiner Heerführer genommen und den Mann beseitigt, als er ihm lästig wurde. Seinen Kindern war er ein schlechter Vater. Die Liste ließe sich fortsetzen. Mit den Helden der Bibel ist es oft so, sie sind beides – Vorbilder und Versager.

Daran musste ich denken, als ich mir den Film „Gundermann“ ansah. Gundermann, eine DDR-Legende aus der Musikszene, ein sympathischer Chaot, der sensible Texte schreibt, der das Maul aufmacht, wo andere kuschen, der nicht nur vom Leben singt, sondern es auch lebt, im Braunkohlerevier, auf dem Bagger, ein Mann, der sich rührend um einen verletzten Igel kümmert, dem man in dieser Pose nichts Böses zutraut. Aber es ist da, das Abgründige, das Miese, das Verräterische. Der Film zeigt es in klugen Schnitten.

Gleich zu Beginn erfährt man von seiner Stasitätigkeit. Ungewöhnlich: Gundermann offenbart sich selbst als Spitzel. In Rückblenden sieht man, wie er geworben wird, wie er Aufträge übernimmt, ausführt und auch in den Sand setzt.

Das Bild dieses Mannes bleibt ambivalent. Er bespitzelt seine Freunde, will aber auch verändern. Es geht ihm um einen besseren Sozialismus, er bezeichnet sich als Kommunist und legt sich mit den Funktionären an. Doch er lässt sich auch locken mit Westauftritten und genießt es, von seinem Führungsoffizier umschmeichelt zu werden, eitel und naiv berichtet er über enge Freunde.

Der Film Gundermann schafft es, das Klischee von Opfern und Tätern zu durchbrechen. Gundermann ist Stasispitzel und wird selbst ausspioniert. Er offenbart sich einem Kollegen, den er denunziert hat und muss erfahren, dass dieser Mann auf ihn angesetzt war. Es schmerzt, wenn man als Zuschauer mitansehen muss, wie ein Idol sich selbst demontiert.

Schaut man allerdings andersherum auf diesen Film, bleibt festzuhalten, dass einer, der eklatant versagt hat, dennoch ein Mensch bleibt, den man für vieles mögen und für manches sogar bewundern kann. König David lässt grüßen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

03.01.2020
Jörg Machel