Freundschaft feiern

Wort zum Tage
Freundschaft feiern
05.12.2019 - 06:20
05.09.2019
Dirck Ackermann
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Was für ein warmer Wintertag. Es ist Februar. Ich stehe an der Themse. Wieder einmal in London. Die Sonne strahlt auf die eindrucksvollen Gebäude: Westminster Hall, Westminster Abbey. Ich liebe diese Stadt. Doch gleich schießt mir BREXIT durch den Kopf. Was für ein Desaster für das Friedensprojekt Europa.

Ich gehe weiter in Richtung Buckingham Palast. Ich bin eingeladen zu einem Gottesdienst. Vor 100 Jahren hat der britische König die Militärseelsorge wiedereingerichtet. Kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs. Kurz nach dem großen Gemetzel in Europa. Dank für den Einsatz der britischen Truppen. Vielleicht auch Zeichen für den Sieg über die Deutschen? Das soll heute „gefeiert“ werden. Kann man angesichts der Millionen von Toten feiern?

Ich gehe durch die Wache, vorbei an prächtigen Gebäuden.

Dann stehe ich vor dem Kapelleneingang: Was ist denn das? Das Kapellenportal ist in seiner Schlichtheit kaum zu übertreffen. Kein Ornament. So sehen die Kirchen in meiner Heimat aus. Wiederaufgebaut nach dem Krieg.

In der Kapelle der gleiche Eindruck. Ein schlichter hoher Raum mit weißen Wänden. Keine Bilder. Stattdessen hängen eine Vielzahl von Regimentsflaggen in den Raum hinein.

Im Kontrast dazu der Altarraum. Ein romanischer Bogen. Dahinter ein goldener Raum mit Mosaiken im byzantischen Stil. Verwunderlich!

Ich werde zu meinem Platz geleitet. Und da treffe ich alte Bekannte und Kollegen aus anderen Ländern, aus Belgien, aus den USA, aus Kanada, von der britischen Marine und Luftwaffe. Große Wiedersehensfreude. Umarmungen.

Ich schildere ihnen meine Verwunderung über die Architektur. Und sie erklären. Vor 75 Jahren wurde die Kapelle von Bomben der deutschen Luftwaffe getroffen. Am helllichten Tag. Während eines Gottesdienstes. Mehr als 120 Soldaten sind dabei ums Leben gekommen. Die Kirche war fast vollständig zerstört. Nur der Altarraum blieb unversehrt.

Auch hier also wieder einmal blindwütige Zerstörung. Krieg ist ein Schrecken! Gut, dass wir diesen Schrecken überwunden haben, denke ich – und spreche es dann aus. Und meine Freunde entgegnen: Ja, wir sind dankbar für den Frieden in Europa. Und wir sind dankbar für die Freundschaft, auch die mit euch Deutschen. Deshalb ist es gut, dass Du da bist, auch wenn Du so einen komischen Humor hast. Gelächter. Dann höre ich noch den Satz: Es ist ein Wiedersehen von Freunden.

Jetzt ist mir wirklich nach Gottesdienst feiern zumute. 100 Jahre nach dem großen zerstörerischen Krieg in Europa: Wir feiern unsere Freundschaft.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

05.09.2019
Dirck Ackermann